Zur Wirksamkeit eines Code of Conduct

Der Code of Conduct oder der Verhaltenskodex umfasst eine Sammlung von Regelungen, die das gewünschte Verhalten von Arbeitnehmern, Partnern und anderen Personen, die für ein Unternehmen tätig sind, verbindlich beschreiben. Ein Code of Conduct kann jedoch nur funktionieren, wenn die Vertragspartner diesen inhaltlich verstehen und auch entsprechender Sanktionen gewahr sind, die bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Non-Compliance eintreten können. Besonders die rechtliche Wirkung eines Code of Conduct hängt davon ab, dass diese Warnfunktion deutlich und den rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend formuliert wurde. Der Code of Conduct ist nur so gut, wie die Compliance derer, die sich diesem Regelwerk unterwerfen.

Der Code of Conduct beschreibt eine Ethikrichtlinie bzw. einen Verhaltenskodex, nach dem sich Arbeitnehmer, Partner, Subunternehmen und andere Personen, die für das jeweilige Unternehmen tätig sind, zu verhalten haben.

Die wohl ursprünglichste Form des Code of Conduct ist eine kodifizierte Unternehmensphilosophie, der sich Mitarbeiter und die Unternehmensführung verschrieben haben. Die Ethikrichtlinien eines Unternehmens wurden im Laufe der Zeit jedoch immer komplexer und wurden durch deren weitreichende Anwendung auch durch die Rechtsprechung und die Gesetzgebung weiter ausgestaltet. Aus der einstmals freiwilligen Selbstkontrolle wurde ein Code of Conduct - ein Regelwerk, dass nur wenige „kann“ und dafür mehr „soll“-Bestimmungen aufweist, also weniger von Freiwilligkeit als mehr von Pflichten geprägt ist. Im amerikanischen Wirtschaftsrecht wurde mit dem Sarbanes Oxley Act eine Rechtsgrundlage geschaffen, die in vielen Unternehmen ursächlich für das Vorhandensein eines Code of Conducts ist.

In der deutschen Wirtschaftswelt spielt der Verhaltenskodex ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Verhaltenkodizes der großen Unternehmen haben zumeist ihre Wurzeln im Arbeitsrecht, als spezielles Feld des Zivilrechts, aber auch im Strafrecht. Ein Verhaltenskodex ist immer noch eine freiwillige Selbstkontrolle, die sich ein Unternehmen selbst gibt, doch für diejenigen, die sich diesem Kodex unterwerfen, hat er eine tatsächliche Rechtsbindung und ein Verstoß gegen den Kodex wird in aller Regel sanktioniert.

 

„Good Will“ vs. Sanktionen

Ein Unternehmen, welches sich einen Verhaltenskodex gibt, macht dies in aller Regel aus strategischen Erwägungen: Arbeitnehmer haben mit dem Kodex eine klare Sicht auf die „DOs and DON’Ts“ im Unternehmensumfeld. Das Unternehmen hingegen hat die Möglichkeit auf Grundlage des Kodex sanktionierende Maßnahmen gegen regelwidriges Verhalten auszusprechen. Der Kodex kann mithin mindestens als arbeitsvertragliche Nebenpflicht und maximal als Element der vertraglichen Hauptpflicht betrachtet werden. Entsprechend kann eine Regelüberschreitung auch eine Abmahnung oder - als ultima ratio - eine fristlose Kündigung zur Folge haben.

Damit diese Sanktionierungsmechanismen jedoch greifen, müssen die Inhalte des Verhaltenskodex Warncharakter haben. Die Rechtsprechung hat diese Notwendigkeit herausgestellt. Nur kann nicht jedes Element eines Verhaltenskodex als „Red Flag“ dienen, da es auch Verhaltensrichtlinien gibt, denen eine „weiche“ Formulierung zu Grunde liegt („kann“, „darf“, „sollte“) die nicht an die von der Rechtsprechung verlangte Signalwirkung heranreichen. Doch gerade die Sanktionsandrohung forciert Compliance. Ohne die Androhung von Konsequenzen bei Überschreitungen, kann ein Verhaltenskodex nicht funktionieren. Aus freien Stücken - sozusagen aus „good will“ - werden Regeln nur solange eingehalten, wie sie nicht hinderlich sind.

 

Arbeitsrechtliche Verzahnung

Der Verhaltenskodex hat im deutschen Rechtsraum deutlich weniger mit „Freiwilligkeit“ zu tun, wenn es um das Individuum geht, das diesen unterstellt ist. Mithin beziehen Arbeitsverträge den Verhaltenskodex eines Unternehmens auch mit ein. Da der Arbeitsvertrag in großen Unternehmen als eine Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen den entsprechenden Prüfungsnormen unterliegt, ist hier darauf zu achten, dass sich der Verhaltenskodex im Rahmen der juristischen Legitimation bewegt.

Ein Code of Conduct muss nicht immer auf rechtlichen Grundlagen basieren, doch meistens ist dies zumindest teilweise der Fall, um Sanktionierungen zu forcieren.

Verhaltenskodizes, die diesen rein arbeitsrechtlichen Rahmen verlassen - etwa weil sie in die Privatsphäre und die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer hineinreichen - werden von der Rechtsprechung in Teilen oder gar ganz, wenn eine teleologische Reduktion ausgeschlossen ist, „gekippt“, da diese in Teilen oder in der Gesamtheit nicht mit den Grundrechten vereinbar sind. Diesen Prüfnormen aus dem Zivilrecht ist auch zu entnehmen, dass Regelungen hinreichend bestimmt in ihrer Aussage sein müssen.

Die Warn- und Signalwirkung einer Regelung in einem Verhaltenskodex muss also deutlich durch den Arbeitnehmer zu erkennen und zu verstehen sein. Gerade bei umfangreichen Verhaltenskodizes muss  daher gewährleistet sein, dass der Vertragspartner a.) den Inhalt zur Kenntnis nimmt und b.) diesen Inhalt versteht. Dies sind die beiden Grundvoraussetzungen für das Erreichen von Compliance. Das Verständnis des Inhaltes kann zum einen durch die rechtliche Prüfung bestimmt werden und zum anderen dadurch erreicht werden, dass man den Arbeitnehmer schult und diesem so den Verhaltenskodex des Unternehmens näher bringt. Dies spielt vor allem zum Erreichen von Compliance eine kritische Rolle, da besonders kodifizierte Texte als Wissen eine geringere Halbwertzeit haben, als andere Wissensinhalte, so dass hier ein höhere (Nach-)Schulungsintervall indiziert sein kann, um die Rechtssicherheit und im Nachgang die Compliance zu gewährleisten.

 

Zusammenfassung

Der Verhaltenskodex richtet sich an eine sehr heterogene Zielgruppe. Dazu gehören Partner, Subunternehmer, Arbeitnehmer, die Führungsebenen und andere Personen.

Damit ein Verhaltenskodex - ein Code of Conduct - implementiert und umgesetzt werden kann, ist zum einen das inhaltliche Verständnis der Adressaten gefordert und, im Zuge des Erreichens einer weitergehend Rechtssicherheit, auch deren belegbare Kenntnisnahme des Verhaltenskodex.

Die Warnfunktion der darin enthaltenen Regelungen muss deutlich sein und die auch die Folgen und Sanktionen müssen klar werden. Nur so kann sich im Falle einer grobfahrlässigen oder vorsätzlichen Non-Compliance eine (arbeits-)rechtliche Wirkung entfalten und weitergehende Ansprüche durchsetzbar werden lassen.