Unternehmensethik, Interne Revision und Risiko...
In diesem Essay skizzieren wir einige Eindrücke dazu, inwieweit sich Ethik im Rahmen der Personalentwicklung - auch und gerade für interne Revisoren - als strategischer Wettbewerbsvorteil etablieren lässt.
Vom Ende der Industrie zum Anfang der Wissensgesellschaft…
Viele von uns postulieren, dass die Wissensgesellschaft uns jene neuen marktwirtschaftlichen Chancen eröffnen soll, die wir uns zum Wohle der Gemeinschaft erhoffen. Jedoch scheinen die bildungspolitischen Rahmenbedingungen in vielerlei Hinsicht nicht mehr auszureichen, um den Unternehmen nicht nur genügend Fachkräfte zur Verfügung zu stellen, sondern auch den schon Berufstätigen häufig immer kurzfristig benötigtes Knowhow zugänglich zu machen. Gleichzeitig sieht sich die Personalentwicklung eines Unternehmens vor die Herausforderung gestellt, der Fluktuation hochqualifizierter Mitarbeiter zu begegnen, also gute Köpfe auch längerfristig an das Unternehmen zu binden, bzw. sie überhaupt zu bekommen.
Das Gleiche gilt, vielleicht in verschärftem Umfang, auch für die Interne Revision. Dort sehen wir seit Jahren mindestens zwei Trends: Der eine ist die steigende Nachfrage nach guten, was in der Regel erfahrenen Revisoren bedeutet, die in dieser Anzahl kaum mehr zu finden sind – auch wegen der anderen Entwicklungen, die etwa im Bereich der Compliance den Markt an Young Professionals praktisch leerfegen. Den anderen darin, dass immer weniger Unternehmen, und gerade die des Mittelstands, nichts oder zu wenig in die Aus- und Fortbildung ihrer Revisoren investieren möchten. In der Tendenz, zuende gedacht, bedeutet dies, dass wir immer weniger und immer schlechter ausgebildete Revisoren haben werden…
Personalentwicklung als strategisches Führungsinstrument…
Aus verschiedenen Gründen hat Personalentwicklung beim Wettbewerb um die klugen und qualifizierten Köpfe die Bedeutung eines strategischen Führungsinstruments angenommen. Es ist heute kaum mehr möglich, Strategien ohne die entsprechende Personalplanung erfolgreich umzusetzen. Diese intellektuelle Erkenntnis hat sich bis zum aktiven Handeln aber noch nicht überall durchgerungen.
Denn dort, wo Unternehmen die von ihnen festgestellten Defizite der Bildungspolitik auszugleichen suchen, also auch ehemals gesamtgesellschaftlich gedachte Verantwortung mit übernehmen, gerät Personalentwicklung auch zu einer Schnittstelle zwischen Unternehmensethik und -Strategie. Um diesen Schluss nachvollziehen zu können, muss der Blick auf die Personalentwicklung von Fach- und Führungskräfte weiter gefasst werden:
Unternehmen kooperieren nicht nur wie bisher mit staatlichen Bildungseinrichtungen und Instituten, sondern etablieren eigene Bildungseinrichtungen. Nicht umsonst wird der Weiterbildungsmarkt - und ganz besonders dort, wo es um mulitmediale Formen des Lernens selbst geht - als ein Wachstumsmarkt betrachtet.
Wo sich aber Unternehmen jenseits einer staatlichen Bildungspolitik Handlungsräume und Marktchancen verschaffen, wird Personalentwicklung der Unternehmen zur Personalpolitik. Man könnte hier auch mit Ulrich Beck von einer Subpolitisierung der Bildung seitens der Wirtschaft sprechen, die aus den von den Unternehmen festgestellten Defiziten bisheriger Bildungspolitik, also aus den Bedürfnissen einer dynamischer gewordenen Wirtschaft erwachsen ist.
Die Frage ist, ob Politik ihrerseits gut beraten ist, sich in Sachen Bildung der Wirtschaft gegenüber willfährig zu zeigen und dadurch selber Kurzfristorientierungen erzeugt, die gerade von einer dynamischen Wirtschaft nicht gebraucht wird. Denn Herausforderungen großer unvorhersehbarer Veränderungen begegnen jene Menschen besser, die Komplexität und Dynamik der Wirtschaft nicht nur denken, sondern auch im Sinne einer weiterbildenden Wirtschaftsphilosophie reflexiv mitgestalten können. Das erfordert einen strategischen Blick, also die Fähigkeit– wie in den Kulturwissenschaften üblich – sich einen Überblick verschaffen zu können.
Ethik als Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen…
All die hier beschriebenen angenommenen Defizite rufen eine Unternehmensethik auf den Plan, die in das entstandene Vakuum der Verantwortung für Bildung und Mitbestimmung der Mitarbeiter, also für gesellschaftspolitische Ziele eintritt. Eine Personalentwicklung, die ihren Blick für neue Verantwortungen, aber auch die darin liegenden Chancen erkennt, wird im Sinne einer integrierenden Unternehmensführung handeln, die neben ökonomischen auch unternehmensethische Ziele in der Realisierung vernünftiger Förder- und Bildungsprogrammen zu berücksichtigen weiß. Unternehmensethik, die von der Personalentwicklung mitgedacht wird, thematisiert an diesem Punkt moralisches Handeln und Gewinnstreben in der Personalentwicklung aus zwei ganz konkreten Gründen:
Einmal, um zu helfen, das unternehmerische Handeln, dort wo es Personal entwickeln und bilden will, gesellschaftlich zu legitimieren und andererseits, um im ureigensten Interesse im Wettbewerb um die klugen Köpfe an der Spitze zu stehen.
Geht man von der Prämisse aus, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben, dann wird die Personalentwicklung nicht nur die Wettbewerbsstrategie eines Unternehmens mitbestimmen, sondern sich ein Unternehmen gleichzeitig als moralischer Akteur auszeichnen müssen, um für seine Mitarbeiter und zukünftige Bewerber attraktiv zu bleiben. Umgekehrt täten Mitarbeiter und Bewerber gut daran, angemessene Förder- und Bildungsprogramme einzufordern, um auf dem Arbeitsmarkt auch zukünftig bestehen zu können.
Dass dies den meisten der jungen, bereits gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen bereits klar ist, zeigt sich unter anderem in der geringer werdenden Hemmschwelle, ein Unternehmen zu verlassen, das diese Handlungsräume nicht anbietet. Für die Interne Revision gilt hier wiederum, dass ein qualifizierter Revisor ohne entsprechende Fortbildung zum einen gar nicht denkbar ist, zum anderen seinen Marktwert, um das Wort zu gebrauchen, sehr schnell verliert oder drastisch vermindert, ist er nicht auf der Höhe der Zeit.
Darüber hinaus ist es auch so, dass alle Revisoren mit einem Fachexamen, etwa dem CIA (Certified Internal Auditor) ein Mindestmaß an Fortbildung pro Jahr nachweisen müssen. Ansonsten droht der Verlust des Titels…
Werte als Gegenstand der Fortbildung…
Spätestens aber wird die moralische Rolle, die ein Unternehmen spielt, klar, wenn es nicht nur darum geht, in der Weiterbildung der Mitarbeiter Know-How zu vermitteln, sondern Motivation und Einstellung selbst zum Gegenstand der Fortbildung werden soll. Wer solcherlei Forderungen als Pflichtprogramm aufstellt, der muss sich im Gegenzug als ein Akteur beweisen, der selber moralische Kompetenz besitzt und gute Gründe, im Sinne einer guten Bildungspolitik, liefert, warum er eine besondere Einstellung und Motivation fordert. Weder rein materielle Anreize noch so zu tun, als ob man die eigenen Mitarbeiter schätze, reichen da langfristig aus. Eine kritische Beurteilung des zukünftigen oder eigenen Unternehmens könnte daher bei Neueinsteigern oder schon berufstätigen Menschen mit den folgenden Fragen beginnen, wobei eine Personalentwicklung gut daran täte, diese in ihrer eigenen Tätigkeit zu berücksichtigen:
"Was tut mein (zukünftiges) Unternehmen, um seine Mitarbeiter zu fördern und zu qualifizieren? Und wenn es sich nicht verantwortlich zeigt, gibt es mir dann wenigstens den angemessenen Freiraum (Zeitraum), damit ich mir und meiner eigenen Rolle und Funktion nicht nur bewusst bin, sondern diese zu meiner und der Zufriedenheit des Unternehmens bereichern kann?"
Und grau des Lebens Baum…
Tatsächlich sieht die Praxis der Personalentwicklung häufig ganz anders aus, so Elmar Schwager von The AuditFactory, der sich von Berufs wegen mit der Analyse von Personalentwicklung befasst. Eklatante Mängel, z.B. das Fehlen von Förder- und Fortbildungsprogrammen oder eine Nachfolgeplanung, die sich symptomatisch in Unzufriedenheit und steigender Fluktuation, aber auch durch Probleme bei der Beschaffung und Bindung von qualifizierten Mitarbeitern äußert, begegnet man in verschiedensten Unternehmen. Jedoch müsse man, so Schwager, von Branche und Unternehmensgröße ausgehend differenzieren. Insbesondere mittelständische Unternehmen könnten hier durch wenige Maßnahmen ihr standing gegenüber den Großunternehmen verbessern. Die Umsetzung scheitert beispielsweise an Kapazitäten, der Durchsetzungsfähigkeit des Personalbereichs oder fehlendem Know-how.
Eine besondere Problematik liegt für Schwager darin, die Unternehmensziele, die einerseits mit der Personalentwicklung verfolgt werden sollen, und die Bedürfnisse der Mitarbeiter andererseits in Einklang zu bringen, ohne dass dies einseitig zu Lasten einer Partei geht. Die Art und Weise, wie solche Interessen von einer Unternehmensethik- und -strategie austariert werden, bestimmt letztlich nicht nur, inwiefern Mitarbeiter mit ihrer Arbeit und der Unternehmung zufrieden sind, sondern letztlich auch das Betriebsergebnis.
Personalpolitik kann nun aber durch systematisch angelegte Förder- und Qualifizierungsprogramme, die hier vorgetragenen unternehmensethischen und -strategischen Anliegen, institutionalisiert werden. Zentrales Moment bei dem Aufbau solcher Programme ist das angemessene Einbeziehen der Mitarbeiter in den Entscheidungsprozeß, der zu einem geeigneten Förderprogramm führen soll. Wenn beispielsweise, so Schwager weiter, die Führungskultur in einem Unternehmen autoritär ist, so wird es keine Entwicklung der Führungskräfte in Richtung einer partizipativen Mitarbeiterführung geben. Auch können einzelne, insbesondere autonomen Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften ein Eigenleben entwickeln, das ein bestehendes Programm konterkariert.
Auch sollte eine Personalentwicklung ihre eigenen Annahmen, Ansprüche und Wertvorstellungen bezogen auf ihre eigene Tätigkeit und die ihrer Mitarbeiter hinterfragen, weil diese letztlich die Bildungs- und Fördermaßnahmen maßgeblich mitbestimmen. Sprechen wir gar von Bildung, Ausbildung und Weiterbildung, dann muss auch der Begriff der Entwicklung selbst überdacht werden.
Denn Personalentwicklung, die Bildungsziele zu Unternehmenszielen macht, muss sich fragen lassen, welcher Idee von Bildung sie sich letztlich verpflichtet fühlt. Richtet sie diese nur kurzfristig auf die Erfüllung von Unternehmenszielen, indem sie Mitarbeiter nur mit Wissen von kurzer Halbwertzeit versieht, also nur reines Know-How, kann sie unter Umständen ihre Legitimation verlieren, wenn sie sogenannten Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter nicht gerecht werden kann.
Das bedeutet - mit vorsichtigem Optimismus formuliert -, dass neben dem Ökonomieprinzip so etwas wie ein Kulturprinzip treten muss, damit Mitarbeiter ihre Arbeit einer Sinnsphäre - sowohl der eigenen als auch einer gemeinschaftlichen - zuordnen können. Das bedeutet, dass dem Mitarbeiter i.S. einer Wirtschaftsphilosophie die Möglichkeit gegeben werden muss, neben sich zu treten und die eigene Rolle und Funktion zu überdenken und sinnvoll einordnen zu können. Dies kann nicht nur die eigene Funktion um neue Aspekte und Möglichkeiten, z.B. im Sinn einer Innovation, bereichern, sondern die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit erhöhen.