Führt Größenwahn zu Wirtschaftskriminalität?

Führt Größenwahn zu Wirtschaftskriminalität? The AuditFactory unterstützt eine experimentelle Forschungsarbeit an der Universität Passau.

The AuditFactory ermöglicht mit einer finanziellen Zuwendung eine Masterthesis im Fach experimentelle Ökonomik an der Fakultät für Volkswirtschaftslehre an der Universität Passau, Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie von Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff. Die Thesis untersucht, ob das Persönlichkeitsmerkmal der Selbstüberschätzung bei einer Person Auswirkungen auf mögliche Verstöße in einem wirtschaftsnahen Umfeld hat. Für die Untersuchung dieser Thematik wird ein eigens dafür entwickeltes Experiment durchgeführt.

Forschungsarbeiten im Bereich der Wirtschaftskriminalität haben bislang deskriptive Merkmale der Täter oder Umstände untersucht, die zu einer dolosen Handlung führen. So ist auf Grund der Statistik allgemein bekannt, dass beispielsweise eine wirtschaftskriminelle Handlung von einem Mann mittleren Alters und einer Unternehmenszugehörigkeit von min. drei bis fünf Jahren vollzogen wird. Es gibt ebenfalls die Erkenntnisse, unter welchen Umständen es zu einer wirtschaftskriminellen Straftat kommt. Das bekannteste Beispiel hierzu ist das Fraud Triangle von Donald Cressey. Doch ist bislang wenig über die Auswirkungen von bestimmten Charakterzügen auf eine mögliche wirtschaftskriminelle Handlung bekannt. Genau an diesem Punkt setzt die Thesis an.

Sie untersucht mithilfe des Experimentes konkret das Verhalten von Mitarbeitern, die sich im beruflichen oder privaten Leben selbst überschätzen. Das Ziel ist es herauszufinden, ob ein Mitarbeiter, der eine signifikante finanzielle Einbuße durch sein eigenes Verhalten hinnehmen muss, die aus eigener Selbstüberschätzung resultiert, sich anders gegenüber dem Unternehmen verhält als ein Mitarbeiter, der sich richtig in seinen Fähigkeiten einschätzt. Die Thesis nutzt für diese Untersuchung die Methodik der experimentellen Ökonomik.

 

Exkurs: Experimentelle Ökonomik

Experimentelle Ökonomik (auch Experimentelle Ökonomie oder Experimentelle Wirtschaftsforschung) ist eine Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaft, die sich mit der experimentellen Bewertung ökonomischer Theorien beschäftigt.  Pioniere dieser Disziplin sind Vernon L. Smith und Daniel Kahneman, die 2002 für ihre Arbeiten den Nobelpreis erhielten, in Deutschland Reinhard Selten (Nobelpreisträger 1994) und Reinhard Tietz, die etwa zeitgleich wie die amerikanischen Forscher ähnliche Ergebnisse fanden. Ökonomische Experimente überprüfen in der Regel psychologische Grundlagen individuellen Handelns in ökonomisch relevanten Entscheidungssituationen. Die zu prüfenden Situationen werden dabei häufig sehr abstrakt und unter Rückgriff auf Modelle der Entscheidungstheorie und Spieltheorie gestaltet. In der Regel werden ökonomische Experimente in Computerlaboren durchgeführt, in denen jeder Teilnehmer („Proband“) unter kontrollierten äußeren Bedingungen mit Hilfe eines Computers Entscheidungen zu treffen hat. (Quelle: Wikipedia)

 

Das Experiment

Das Experiment wird in einem extra für solche Zwecke konzipierten Computerraum durchgeführt. Teilnehmer des Experimentes sind Studenten aller Fachrichtungen, welche durch ein Onlinesystem eingeladen werden. Die Teilnehmer sitzen alleine und anonym an einem Computer – für die Dauer von ca. 45 Minuten – und treffen Entscheidungen mit einer eigens dafür geschriebenen Software. Die dort getroffenen Entscheidungen beeinflussen sich mit den Entscheidungen der anderen anwesenden Teilnehmer gegenseitig. Integraler Bestandteil eines ökonomischen Experimentes ist es, ein Anreizsystem für die Entscheidungen die von den Teilnehmern zu treffen sind zu haben. Am Ende des Experimentes erhält jeder Teilnehmer einen Geldbetrag, der maßgeblich von den getroffenen Entscheidungen des einzelnen Teilnehmers und der anderen Teilnehmer im Experiment abhängt. Durch diese wichtige Komponente wird sichergestellt, dass die Teilnehmer im Experiment sich bewusst entscheiden. The AuditFactory hat sich bereit erklärt, den gesamten Auszahlungsbetrag der Teilnehmer zu finanzieren und ermöglicht hierdurch die Durchführung des Experimentes.

Für ein Laborexperiment zur Forschung im Bereich Wirtschaftskriminalität spricht, dass es unmöglich erscheint, empirisch Felddaten zu generieren, weil eine wirtschaftskriminelle Handlung nur sehr schwer vor Ort zu beobachten ist. In einem ökonomischen Experiment kann durch die gewählte Anreizstruktur (Geldbetrag) das Verhalten der Probanden in der Theorie vorherbestimmt werden. Abweichungen des Verhaltens gegenüber der finanziell für den Proband maximierenden Lösung erlauben es schließlich, die einzelnen Phänomene der Selbstüberschätzung und der wirtschaftskriminellen Handlung im Labor festzustellen und eventuelle kausale Verbindungen statistisch zu testen.

Für die Aussagekraft hinsichtlich der Selbstüberschätzung validieren die Ergebnisse der Kontrollfragen das Design aus der Literatur. Es kann sogar gezeigt werden, dass Männer mehr dazu neigen, sich selbst zu überschätzen und ihre Fähigkeiten mit anderen messen zu wollen. Hier muss erneut betont werden, dass es sich um ein anonymes Experiment handelt und die Teilnehmer nicht wissen, gegen wen sie spielen.

Das Balkendiagramm zeigt die prozentuale Entscheidung, wirtschaftskriminell zu handeln. Es unterscheidet zwischen den der Ausprägung, ob der Proband sich selbst überschätzt hat oder nicht.

Auf den ersten Blick erscheinen die Unterschiede nicht sehr groß zu sein, dies ist jedoch ein positives Indiz für eine gute und ausgeglichene Kalibrierung des Experimentes. Diese Erkenntnis zeigt, dass die Probanden nicht durch die Anreizstruktur fehlgeleitet worden sind, sondern aktiv sich auch gegen ihre eigenen Vorteil entschieden haben. Mithilfe einer Regressionsanalyse wird nun geprüft, ob die Abweichungen statistisch signifikant sind.

Die Ergebnisse zeigen: Selbstüberschätzung hat einen statistisch signifikanten Einfluss von ca. 11,5 % auf die Entscheidung, kriminell zu handeln. Handelt es sich bei dem Probanden um einen Mann, verdoppelt dies sogar den Einfluss zu dieser Handlung. Jedoch muss die Vermutung verneint werden, dass Betriebswirtschaftsstudenten eher dazu neigen,  wirtschaftskriminell zu handeln. Im vorliegenden Experiment trifft das eher für Studenten der Philosophischen Fakultät zu.

Die Ergebnisse aus dem Experiment illustrieren, dass der Charakter und das Geschlecht eines Mitarbeiters direkte Auswirkungen auf eine mögliche wirtschaftskriminelle Handlung hat. Hieraus lassen sich für die Personalauswahl und –entwicklung entsprechende Schlüsse ziehen.